VdPP–Stellungnahme zu den Eckpunkten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

 

Hamburg, 28. Januar 2019

Das Eckpunkte-Papier von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn enthält als wesentlichen und entscheidenden Punkt die beabsichtigte Aufhebung der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx). Sie soll durch die Gewährung von Boni für importierte Rx-Arzneimittel umgesetzt werden. Allein eine Ablehnung der Boni-Regelung, wie dies von der ABDA-Mitgliederversammlung am 17. Januar einstimmig beschlossen wurde, wird nicht ausreichen, um die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel langfristig zu sichern. Versandhändler aus dem Ausland werden weiter versuchen, die Regelung zu unterlaufen oder vor Gericht zu kippen. Versandhändler aus dem Inland werden ebenso nachziehen wie andere Apotheken.

 

Im Übrigen lockt der Bundesgesundheitsminister die Apotheker mit einigen Angeboten bei Dienstleistungen und Honoraren. Die ABDA reagiert darauf halbherzig: sie pickt sich die Rosinen heraus und verkennt insgesamt offenbar die Gefahr einer dramatisch fortschreitenden Kommerzialisierung der Arzneimittelversorgung und des Apothekenwesens.

 

Dem VdPP ist es völlig unverständlich, warum die ABDA ihre Forderung zum Verbot des Rx-Versandhandels aufgegeben hat. Drei durch die ABDA beauftragte Gutachter haben unabhängig voneinander ein solches Verbot für rechtlich umsetzbar gehalten. Ihr Fazit: Das Verbot des

Versandhandels ist europa-, verfassungs-und sozialrechtlich zulässig!

 

Rx-Versandhandel muss verboten werden 

 

Der seit 2004 erlaubte Versand von Rx-Arzneimitteln hat die Arzneimittelversorgung den Mechanismen eines freien Marktes ein großes Stück näher gebracht und damit eine solidarisch organisierte soziale und ortsnahe Versorgung deutlich weiter geschwächt. Das war zwar marktkonform, aber gesundheitspolitisch unverantwortlich. Zwei Drittel der EU-Mitgliedsstaaten sind diesem Trend nicht gefolgt und verbieten weiterhin den Versand von Rx-Arzneimitteln.

 

Es geht um mehr: Gefahren für unser Gesundheits- und Apothekenwesen werden verkannt

 

Der Konflikt zwischen dem System der solidarischen Krankenversicherung und den wettbewerbsrechtlichen Regelungen auf EU-Ebene besteht seit Jahrzehnten und wird erstaunlicherweise so gut wie gar nicht thematisiert. Dabei geht es um das bei uns bestehende  Kollektivvertragssystem zwischen den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und den Leistungsanbietern im Gesundheitswesen. Diese Verträge sind nach europäischen Wirtschafts- und  Wettbewerbsrecht wettbewerbseinschränkende Maßnahmen. Darum müssen für ihre Existenzberechtigung zwingende Gründe des Allgemeinwohls geltend gemacht werden.

 

Der Grundsatz des Allgemeinwohls, nämlich der Solidarität der GKV, bedeutet vor allem: Die GKV erfüllt eine soziale Aufgabe; die Leistungen sind für alle Versicherten gleich; die Beiträge sind einkommensabhängig; durch Umverteilung werden finanziell und gesundheitlich benachteiligte Personen geschützt.

 

Die Vereinbarkeit dieses bundesdeutschen solidarisch verfassten Kollektivvertragsrechts mit dem europäischen Wettbewerbsrecht gilt aber nur, solange die Krankenkassen die soziale Aufgabe wahrnehmen, solange sie keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und solange sie nicht als Unternehmen im Sinne des europäischen Marktrechts agieren.

 

Je stärker jedoch die Privatisierung von Versicherungsangeboten in der GKV vorangetrieben wird und je stärker die gesetzlichen Krankenkassen als wirtschaftlich handelnde Akteure auftreten (sie nutzen den Versandhandel ja als Hebel zur Verstärkung des Wettbewerbs), desto größer wird die Gefahr, dass die europäische Rechtsprechung ihnen den sozialen Charakter abspricht. Sie werden dann als Unternehmen eingestuft werden, die unter das EU-Wettbewerbsrecht fallen. Mit dem Vorschlag des Bundesgesundheitsministers rückt die Gefahr ein großes Stück näher.

 

Ein solidarisches Gesundheitswesen wird von den Vertretern des Neoliberalismus als Fremdkörper und Handelshemmnis des globalen Wettbewerbs bewertet, wie man unlängst in den Auseinandersetzungen um die diversen Freihandelsabkommen (vergl. TTIP) erleben konnte.

 

Das Versandhandelsverbot muss das eigentliche Ziel bleiben

 

Der Gesundheitsminister und ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium handelt sicher ganz bewusst und ist offensichtlich entschlossen, die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens im Sinne der neoliberalen Ideologie voranzubringen.

 

Hier ist eine andere Politik gefragt. Es wäre von der ABDA richtig und konsequent, an der Forderung zum Verbot des Rx-Versandhandels wie in den Jahren zuvor unbedingt festzuhalten, wie es auch die Koalitionsvereinbarung anstrebt. Dieser Weg wurde nun am 17. Januar 2019 von der ABDA Mitgliederversammlung verlassen.

 

Zur Honorierung von Dienstleistungen und zur Strukturförderung

 

Die auch in den Eckpunkten erhaltenen Vorschläge zur Honorierung von Dienstleistungen und zur Strukturförderung zum Erhalt der ortsnahen Versorgung sind interessant und diskussionswürdig, sofern sie geeignet sind, die Arzneimittelversorgung zu verbessern und die Apotheken als Orte der patientenorientierten Versorgung zukunftsfähig zu machen.

Der VdPP sieht aber das Verbot des Rx-Versandhandels und die Aufrechterhaltung der Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen  Arzneimitteln als die derzeit zentralen Ziele, die zügig diskutiert und umgesetzt werden müssen.

 

Die Apotheke der Zukunft braucht dringend mehr

 

Die Zukunft des Apothekenwesens darf nicht an neoliberal geprägten politischen Interessen von Politik und Wirtschaft ausgerichtet werden. Unter diesen Bedingungen würden Apotheken mittelfristig eher zu kleinen Bausteinen von kommerziell ausgerichteten Gesundheitsplattformen oder ähnlichen Konstrukten; die Patientenorientierung würde den kommerziellen Interessen damit aber noch weiter untergeordnet.

 

Um die Apotheke als Teil eines sozialen und solidarischen Gesundheitswesens zukunftsfest zu machen, braucht es mehr als die Umsetzung der vorgelegten Eckpunkte. Die bereits in der WHO-Charta von Ottawa 1986 geforderte Neuausrichtung aller Gesundheitsdienstleister auf das Ziel der Gesundheitsförderung muss auch für das Apothekenwesen gelten.

 

Der VdPP wird sich in diesem Sinne auch in die anstehenden Diskussionen um die Eckpunkte einbringen.

 

Das Prinzip für diese Auseinandersetzungen ist Programm des VdPP:

Pharmazie in sozialer Verantwortung! 

 

VdPP- Vorstand 

http://www.vdpp.de

TERMINE

 

07. Oktober, online

Pharmacists for Future (Ph4F) 

 

18. November, online

VdPP-Vorstandssitzung 

 

04. November, online

Pharmacists for Future (Ph4F) 

 

 

25. November, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

02. Dezember, online

Pharmacists for Future (Ph4F)

 

02. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

09. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

16. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"