VdPP unterstützt Kritik an AWMF-Positionspapieren zur Zusammenarbeit mit der Industrie
15. März 2022
Stellungnahme des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP):
VdPP unterstützt Kritik an AWMF-Positionspapieren zur Zusammenarbeit mit der Industrie
Hamburg, 15. März 2022 – MEZIS, Leitlinienwatch und Transparency International kritisieren aus Sicht des VdPP in einer Stellungnahme [1] zurecht den Richtungswechsel, den die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) in 2 aktuellen Positionspapieren [2, 3] in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Industrie vollzieht. Abweichend von diesen Dokumenten finden sich in einer AWMF-Empfehlung von 2017 [4] noch an zahlreichen Stellen Hinweise auf die Notwendigkeit einer Bewertung von Interessenkonflikten und der Darstellung des Umgangs damit. Auch der VdPP widerspricht der neuen AWMF-Position, dass „die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie auf die Natur der Medizin zurückzuführen ist“, und dass die bloße Offenlegung von Interessenkonflikten beispielsweise zur Unabhängigkeit einer wissenschaftlichen Kongressprogramm-Gestaltung beiträgt.
Als Begründung für die erstrebte Errichtung einer gemeinsamen Forschungsplattform von medizinischen Wissenschaften und Industrie wird von der AWMF angeführt, dass der medizinische Fortschritt vielfach von dieser fachlichen Kooperation („wechselseitig befruchtend“) lebe und eine Trennung dieser Bereiche die Aufspaltung einer einheitlichen Forschungsmaterie bedeuten würde. Patientenbehandlung, Produktentwicklung, Kongresse und Fortbildungen werden unter der Überschrift „natürliche und notwendige Kooperationsformen“ zusammengefasst. Industrieausstellungen im Rahmen von Kongressen böten „wertvolle Ergänzungen“ zum wissenschaftlichen Vortragsangebot. Zur Sicherung der Unabhängigkeit der Kongress-Gestaltung werden vornehmlich die Offenlegung von Interessenkonflikten und die räumliche Trennung von Industrieausstellungen genannt. Auch in der aktuellen Antwort der AWMF [5] auf die Kritik von MEZIS, Leitlinienwatch und Transparency International findet sich erneut nur der Hinweis auf die notwendige Offenlegung aller sekundären Interessen der Beteiligten und auf eine Trennung von Marketing und wissenschaftlichen Inhalten. Darin findet sich die Aussage, dass auch die AWMF industriedominierte Studienprotokolle und Datenverwertungen kritisiere, jedoch fehlt dieser wichtige Hinweis in den beiden AWMF-Papieren.
Der VdPP schließt sich dem Urteil der Kritiker an, dass eine solche Wortwahl und das fast gänzliche Fehlen von Hinweisen auf Bewertung und Regulierung sowie auf Gefahren von Interessenkonflikten das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der deutschen medizinischen Fachgesellschaften gefährdet. Auch wenn es schwer sein mag, unter den aktuellen Umständen die Durchführung von Kongressen und Forschungsvorhaben ohne jegliche Industriefinanzierung zu realisieren, rechtfertigt dies nicht, das ggf. notwendige Übel einer Kooperation ohne deutlichen Hinweis auf die Gefahren wie Abhängigkeiten als natürlich und notwendig zu bezeichnen. Richtig wäre es, wie in früheren AWMF-Positionen gefordert, Selbst- und Fremdbewertung von Interessenkonflikten zu etablieren sowie die explizit gegensätzlichen Interessen zu benennen, um für die Problematik zu sensibilisieren.
Somit ist es nachvollziehbar, wenn die drei Organisationen, deren Kernkompetenz das Thema Interessenkonflikte darstellt, drastische Maßnahmen wie eine gesetzliche Regulierung vorschlagen.
VdPP – Vorstand
[1] Transparency International Deutschland e.V.: Deutsche medizinische Fachgesellschaften verharmlosen Interessenkonflikte. Gemeinsame Stellungnahme von MEZIS, Leitlinienwatch und Transparency Deutschland. Verfügbar: https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Aktuelles/2022/22-03-02_Stellungnahme_und_Hintergrund_zu_AWMF_MEZIS-TI-LLW__1_.pdf
[2] AWMF: Die Kooperation Medizinischer Wissenschaften und Industrie. Verfügbar: https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Resolution_Forderungen/202111_Papier_Industrie-Kooperation.pdf
[3] Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF e.V.) zur Qualitätssicherung wissenschaftlich basierter Fortbildungen und Transparenz möglicher Interessenkonflikte sowie Sicherung einer von Sponsoren unabhängigen Durchführung von Kongressen. Verfügbar: https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Resolution_Forderungen/202202_AWMF_Papier_Sponsoring_final.pdf
[4] Empfehlungen der AWMF zum Umgang mit Interessenkonflikten bei Aktivitäten wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften – Fassung vom 10. November 2017. Verfügbar: https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/AWMF-Publikationen/20171110_AWMF_Empfehlungen_zu_Interessenkonflikten__V2.2_f.pdf
[5] Statement der AWMF zur gemeinsamen Stellungnahme von Leitlinienwatch, Transparency International und MEZIS. Verfügbar: https://www.awmf.org/die-awmf/awmf-aktuell/detail/news/statement-der-awmf.html
Ansprechpartner:innen:
Sabine Hensold, Pressestelle VdPP, Tel. 0163-1469696, E-Mail: presse@vdpp.de
Esther Luhmann, VdPP-Vorstandsreferentin, Tel. 0176-20839802, E-Mail: referentin@vdpp.de
Mehr Informationen unter www.vdpp.de
Über den VdPP e.V.
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