Pressemitteilung

 

Hamburg, 18. Dezember 2018

 

„Bottroper Fall“:
Staatliche Überwachung unter demokratischer Kontrolle

 

Arzneimittel müssen sicher sein. Alle Menschen müssen darauf vertrauen können, dass Arzneimittel, die sie anwenden müssen, dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Der Staat hat dabei die Aufgabe, die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um die für die Überwachung zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, wirksame Kontrollen bei den Herstellern und Vertreibern der Arzneimittel durchführen zu können. Welche Ressourcen dafür eingesetzt werden, ist demokratisch und unter besonderer Berücksichtigung von Patienteninteressen zu entscheiden.

Im Bottroper Fall hat der angeklagte Apotheker mit hoher krimineller Energie mutmaßlich Arzneimittel mit zu wenig oder ohne  Wirkstoff  zubereitet und damit wissentlich auf wirksame Krebsarzneimittel angewiesene Patientinnen und Patienten massiv geschädigt.

Hätte dieses Verbrechen eher aufgedeckt werden können?

  • Ja, wenn schon bei den ersten Anzeichen die Mitarbeitenden dagegen vorgegangen wären.
  • Ja, wenn die überwachende Behörde die Fehlentwicklung rechtzeitig erkannt hätte.
  • Ja, wenn die behandelnden Ärztinnen und Ärzte rechtzeitig erkannt hätten, dass die eingesetzten Arzneimittel nicht wirken.

Ist das realistisch?

  • Nein, weil Mitarbeitende derzeit keine Vertrauensstelle haben, an die sie sich in solchen Fällen wenden können.
  • Nein, weil die Apothekenüberwachung derzeit schon aus personellen Gründen keine umfassende Kontrolle ausüben kann.
  • Nein, weil die Ärztinnen und Ärzte nicht bei jedem Therapieversagen auch Arzneimittelfälschungen für möglich halten, da sie mit patientenindividuellem Ansprechen rechnen und Therapieerfolge und -misserfolge nahe beieinander liegen können. Wie sollten sie kriminelle Energie vermuten?

Also weiter so und keine Konsequenzen aus dem Skandal ziehen?

Nein! Solche Skandale müssen wachrütteln und dazu führen, genauer hinzuschauen, Schwachstellen des bisherigen Systems zu erkennen und Maßnahmen zu entwickeln, die solche kriminellen Machenschaften wirksamer verhindern.

Die Aufarbeitung des Falles ist noch in vollem Gange. Blinder Aktionismus verbietet sich. Wir brauchen jetzt eine breite Diskussion darüber, was getan werden kann und muss. Aus Sicht des VdPP sind dabei folgende Eckpunkte wesentlich:

  • Arzneimittel- und Apothekenüberwachung ist staatliche Aufgabe und muss von staatlichen Stellen wirksam durchgeführt werden. Die heute in einigen Ländern stattfindende Überwachung durch Apothekerkammern ist zu hinterfragen. Eine bessere Personalausstattung ist nötig. Die unangemeldete Überwachung muss selbstverständlich sein.
  • Arzneimittel- und Apothekenüberwachung ist eine wesentliche Aufgabe staatlicher Daseinsfürsorge. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht. zu erfahren, wie und mit welchen Ressourcen welche Ergebnisse erzielt werden. Es muss aber auch deutlich kommuniziert werden, was heute durch die Arzneimittel- und Apothekenüberwachung  möglich ist, also wozu Behörden unter den heutigen Voraussetzungen eben auch nicht in der Lage sind.  
  • Patientenschutz hat höchste Priorität. Mitarbeitende, die in der Patientenversorgung tätig sind und Missstände sehen, müssen sie sich an eine Vertrauensstelle wenden können. Arbeitsrechtlicher Schutz ist zumindest dann zu gewährleisten, wenn diese Hinweise zur Aufdeckung illegaler Praktiken geführt haben. Whistleblowing dient dem öffentlichen Interesse und muss entsprechend gesetzlich definiert werden.

Einzelne Schnellschüsse von Landesregierungen als Reaktion zur Beruhigung der Menschen dürfen nicht das Ende der Diskussion sein!

Politik, Patientenverbände, Kostenträger und Gesundheitsdienstleister müssen sich jetzt zusammensetzen und Vorschläge entwickeln, wie sie alle Schwachstellen konsequent beseitigen können, damit Patientinnen und Patienten, aber auch Mitarbeitende der Gesundheitsdienstleister besser als bisher geschützt werden können. Dabei müssen auch weitere Dokumentationspflichten geprüft werden, etwa eine Eingangs-/Ausgangsdokumentation von Wirkstoffen. Da dies bislang üblicherweise nicht Teil der Apothekenüberwachung ist, wäre zu prüfen, ob dies in das normale Procedere aufgenommen oder eine andere Stelle ermächtigt wird, hier stichprobenartig die entsprechenden Daten anzufordern. Denkbar wären etwa die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, die bei den Krankenkassen angesiedelt sind.

Dabei gilt: Patienteninteressen stehen vor Unternehmerinteressen!

Und zu guter Letzt: die Arzneimittelpreise sind zu hoch! Wo viel Geld im Spiel ist, lohnt sich das Verbrechen!

 

 

Ansprechperson/en:
Esther Luhmann, VdPP Referentin, E-Mail: referentin@vdpp.de,
Sabine Hensold, VdPP Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, E-Mail: presse@vdpp.de, Tel. 0163-1469696

 

 

Über den VdPP

Im Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, gegründet im Juni 1989, sind rund 120 KollegInnen organisiert, die sich nicht mit der jetzigen Situation im Gesundheitswesen nicht abfinden möchten.

 

Vereinsziele

  • Patientenorientierte Arzneimittelberatung und -Versorgung
  • Evidenzbasierte Pharmazie
  • Demokratisierung des Gesundheitswesens und der Standesorganisationen
  • Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen
  • Stärkung des Verbraucherschutzes und der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen
  • Zugang aller Menschen weltweit zu einer ausreichenden Arzneimittelversorgung
  • Begrenzung der Marktmacht der pharmazeutischen Industrie

www.vdpp.de

 

 

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TERMINE

 

07. Oktober, online

Pharmacists for Future (Ph4F) 

 

18. November, online

VdPP-Vorstandssitzung 

 

04. November, online

Pharmacists for Future (Ph4F) 

 

 

25. November, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

02. Dezember, online

Pharmacists for Future (Ph4F)

 

02. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

09. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

16. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"