Auf der langen Bank: Informationen zur evidenzbasierten Selbstmedikation
Hamburg, 08. Mai 2018 - Die EVI-News, Newsletter mit Informationen zur evidenzbasierten Selbstmedikation der ABDA, erfüllen in der derzeitigen Form weder den Auftrag, der sich aus dem entsprechenden Beschluss des deutschen Apothekertages 2014 ergibt, noch die selbst gesteckten Ziele. Zu diesem Schluss kommt der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) nach einer Analyse des seit Mai 2017 erscheinenden neuen Mediums.
Geringe Themenvielfalt
Die Wahl der Themen lässt bisher zu wünschen übrig: 13 der bisher erschienenen 18 Newsletter beinhalten das Thema Schmerz, allein 5 zum Thema Kopfschmerzen. Dabei wurde somit als erstes ein Gebiet der Selbstmedikation ausgewählt, bei dem die Evidenz zu den meisten Präparaten wenig umstritten ist. Andere in der Praxis relevante Themengebiete wie z.B. zu Erkältungssymptomen wurden vornehmlich in Randgebieten behandelt. Gerade 4 Newsletter erschienen dazu, allerdings mit teilweise wenig praxisgerechter Fragestellung: Eine „Einmaldosis Dekongestiva“, also ein abschwellendes Mittel, ist in der Praxis wohl eher unüblich und H1-Antihistaminika spielen in dieser Indikation auch laut den im Newsletter dargestellten Leitlinien nur eine untergeordnete Rolle.
Kaum kritische Bewertungen
Insgesamt finden sich nur wenig kritische Bewertungen abgesehen von teils trivialen Empfehlungen, z.B. bei nicht zugelassenen Monotherapien mit Antihistaminika individuell abzuwägen und ggf. abzuraten oder bei der Empfehlung von Kombi-Präparaten keine Kontraindikation zu übersehen. Geradezu bizarr ist auch die Feststellung im ersten Newsletter, dass konkrete Wirkstoffempfehlungen nicht Gegenstand der Veröffentlichung sind. So entsteht leider der Eindruck, dass konfliktträchtige Bereiche vermieden werden sollen. Die äußerst positive Bewertung der noch nicht zugelassenen Kombination Ibuprofen/Coffein bei Schmerzen in 2 Newslettern inkl. werbewirksamer Nennung des potenziellen Präparatenamens passt in dieses Bild. Aus der zu Grunde liegenden Studie werden irrelevante numerische, nicht statistisch signifikanten Unterschiede berichtet und Ergebnisse ohne Angaben zur Signifikanz dargestellt. Das ist nicht im Sinne einer objektiven und wissenschaftlich fundierten Bewertung, die gerade bei neuen Arzneimitteln von besonderer Bedeutung ist.
Wenig eigene Aufarbeitungen
Bisher wurden vornehmlich die Ergebnisse bereits existierender systematischer Übersichtsarbeiten und Leitlinien zusammengefasst. Das erleichtert den Start, generiert jedoch kein neues Wissen. Wichtig war dem VdPP bei der Beteiligung an der Antragsstellung auch, dass zu den wichtigsten Präparaten die Evidenz systematisch aufgearbeitet und ggf. auch das Fehlen von guten Studien sichtbar gemacht wird. Positiv festzustellen ist, dass sich der April-Newsletter kritisch mit einem von vier als Medizinprodukt zugelassenen Nasensprays auseinandersetzt. Fraglich ist dabei allerdings, ob es notwendig ist, diesem Thema, wie angekündigt, wieder mehrere Newsletter zu widmen.
Verzichtbare Zugangsbarrieren, langsame Aufbereitung
Der Zugang zu den EVI-News wird durch ein Log-In System erschwert. Dies wird weder der Apothekenpraxis gerecht, noch dem Anspruch der EVI-News-Autoren, dass die „hohe Kompetenz des Apothekers im Bereich Selbstmedikation unterstrichen und zusätzlich sichtbar gemacht“ werden soll. Zudem erscheinen die Newsletter nur noch monatlich. Lobenswert zu erwähnen bleibt hingegen die weiterhin kostenfreie Nutzung der EVI-News inkl. Suchmöglichkeit aller Artikel in einer Datenbank.
Mehr Praxistauglichkeit notwendig
Der VdPP sieht den EVI-Newsletter daher nicht als sinnvolle Umsetzung des durch ihn mitinitiierten und vom Apothekertag beschlossenen Antrags an. Ziel war es vielmehr, nach und nach eine Datenbank aufzubauen, die schnell und in die Arbeitsabläufe eingebettet Hilfe für häufig auftretende Beratungsfragen bietet. Idealerweise wären die Informationen über die Apothekensoftware abrufbar und mit den entsprechenden Produkten verlinkt. Das kann ein Newsletter naturgemäß nicht leisten.
Der VdPP fordert, die Informationen zur evidenzbasierten Selbstmedikation praxistauglicher zu gestalten: Es geht darum, den Apothekerinnen und Apothekern in der Offizin Informationen zu den wichtigsten Präparaten aller wichtigen Selbstmedikationsbereiche und in leicht zugänglicher Form zur Verfügung zu stellen, will man sichergehen, dass diese auch genutzt werden. So steht zu hoffen, dass sich möglichst viele Nutzer an der im März gestarteten Umfrage beteiligen, die der Anpassung zukünftiger Newsletter an die Bedürfnisse der öffentlichen Apotheke dienen soll.
Hintergrund
Der Apothekertag hat beschlossen, dass für die in der Selbstmedikation am häufigsten abgegebenen OTC-Arzneimittel die Evidenz zu Nutzen und Schaden aufgearbeitet wird und in praxistauglicher Form der Apothekerschaft zur Verfügung gestellt werden. Im Beschluss und der Begründung wurde angeregt, diese Aufgabe federführend der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu übertragen und die Ergebnisse in die ABDA-Datenbank zu integrieren. Im Januar 2017 wurde ein entsprechendes Projekt von der ABDA an die Abteilung Klinische Pharmazie der Universität Leipzig in Kooperation mit dem dortigen Zentrum für Arzneimittelsicherheit (ZAMS) vergeben. Der seit Mai 2017 von dort herausgegebene Newsletter („EVI-News“) erschien zunächst 2-wöchentlich und sollte nach einer Übergangsphase kostenpflichtig werden. Inzwischen sind die einzelnen Artikel über eine Datenbank recherchierbar, und der Newsletter blieb kostenfrei, erscheint aber nur noch monatlich.
Ansprechpartner:
Daniel Fleer
VdPP Vorstand
E-Mail: fleer@vdpp.de
Über den VdPP e.V.
Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten besteht seit Juni 1989. Im VdPP sind KollegInnen organisiert, die sich mit der jetzigen Situation im Gesundheitswesen nicht abfinden möchten.
Vereinsziele
- Patientenorientierte Arzneimittelberatung und -Versorgung
- Evidenzbasierte Pharmazie
- Demokratisierung des Gesundheitswesens und der Standesorganisationen
- Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen
- Stärkung des Verbraucherschutzes und der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen
- Zugang aller Menschen weltweit zu einer ausreichenden Arzneimittelversorgung
- Begrenzung der Marktmacht der pharmazeutischen Industrie
Mehr Informationen finden Sie unter www.vdpp.de
Pressekontakt:
Sabine Hensold, Pressestelle VdPP, Tel. 0163-1469696, E-Mail: presse@vdpp.de
TERMINE
07. Oktober, online
18. November, online
VdPP-Vorstandssitzung
04. November, online
25. November, online
VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"
02. Dezember, online
02. Dezember, online
VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"
09. Dezember, online
VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"
16. Dezember, online