Wie demokratisch sind unsere Kammern?
Juni 2007
von Udo Puteanus
Bericht über eine Veranstaltung des VDPP am 10. Juni 2007 in Hannover
Unter diesem Titel diskutierten die Teilnehmer des VDPP mit der Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, der Apothekerin Ingeborg Simon (VDPP Berlin) und Gerd Mattern, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der Apotheker im Öffentlichen Dienst (BApÖD) am 10. Juni in Hannover. Einig waren sich die Diskutanten, dass mehr als bisher dafür getan werden müsse, die Belange der nicht selbstständigen Apothekerinnen und Apotheker durch die Kammern nach außen in Erscheinung treten zu lassen.
Hintergrund war der gescheiterte Versuch von Frau Simon, per Gerichtsverfahren den Austritt der Apothekerkammer Berlin aus der ABDA zu erzwingen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin sah in der Überrepräsentanz der Apothekenbesitzer in den Gremien der Kammern und vor allem in der ABDA kein Demokratiedefizit, das den Austritt der Kammer aus der ABDA erforderlich machen würde.
Genau dies hatte die Erstinstanz, das Verwaltungsgericht Berlin, noch ganz anders gesehen: an die demokratischen Strukturen der berufsständischen Kammern seien besondere Anforderungen zu stellen, denn die Zwangsmitgliedschaft, die die Heilberufsgesetze der Länder vorschrieben, führe aufgrund Artikel 2 Grundgesetz dazu, dass die Kammern besonders sorgfältig auf demokratische Binnenstrukturen zu achten hätten. Insofern könne es nicht angehen, dass die nicht besitzenden Apothekerinnen und Apotheker durch die Struktur der ABDA, an der die Kammern maßgeblich beteiligt seien und die auf Bundesebene von den Gesundheitspolitikern als Sprachrohr der Apothekerschaft akzeptiert sei, aufgrund der Einbeziehung der Apothekerverbände zwangsläufig immer in der Minderheit blieben und insofern ihre Belange nicht genügend berücksichtigt würden.
Das Oberverwaltungsgericht hatte demgegenüber argumentiert, die Unterscheidung in besitzende und angestellte Apothekerinnen und Apotheker sei juristisch nicht relevant. Insofern seien keine Demokratiedefizite zu beklagen. Im von der ABDA angestrengten juristischen Gutachten war der Autor, Prof. Kluth, sogar noch weiter gegangen: man müsse darüber nachdenken, ob die Quotenregelungen in einzelnen Bundesländern, die den Angestellten in der Delegiertenversammlung 50 % der Stimmen zusichere, nicht sogar verfassungswidrig sei, denn es gäbe nur den Apotheker. Die Unterscheidung in angestellt und besitzend sei höchstens ein soziologisches Problem.
Die Erwartungen der Teilnehmer an die Ausführungen der Präsidentin der Bundesapothekerkammer waren nicht sehr hoch gewesen, da ihr erwartungsgemäß aufgrund ihrer Funktion die Hände gebunden waren. Sie vernahmen von ihr daher gern, dass auch sie einiges an dem Kluth-Gutachten für problematisch halte, hier besonders die angebliche Verfassungswidrigkeit von Quotenregelungen. Die Teilnehmer mussten auch die Schwierigkeiten zur Kenntnis nehmen, mit denen sie als BAK-Präsidentin zu kämpfen habe. Trotz ihres Einsatzes müsse immer noch davon ausgegangen werden, dass Berufsgruppen außerhalb der Apotheken von den Gremien der Kammern und der ABDA wenig respektiert seien und dies als ein Riesenproblem vermerkt werden müsse.
Frau Simon erinnerte in ihrem Statement daran, dass man früher ein Stück weit des Weges gemeinsam gegangen sei. So habe sich auch Frau Linz als damalige Vorsitzende des Bundesverbandes der Angestellten in Apotheken (heute Adexa) und Mitglied des Forum Leipzig dafür stark gemacht, die Anliegen der nicht selbstständigen Kolleginnen und Kollegen in den Gremien der Kammern mehr Gehör zu verschaffen.
Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung in Hannover, dass es der Glaubwürdigkeit der Kammern und der ABDA gegenüber der Öffentlichkeit gut tun würde, wenn angestellte Apothekerinnen und Apotheker weitaus mehr als bisher zur Meinungsbildung als mitentscheidende Mitglieder in allen Gremien der Kammern und der ABDA beitragen würden. Die durch die letzte Änderung der Satzung der ABDA beschlossene Benennung von vier angestellten Apothekerinnen und Apotheker in den Gesamtvorstand sei längst nicht ausreichend, zumal diese jetzt nur noch beratende Rechte bzw. ein Antragsrecht hätten. Die frühere Regelung hätte den zwei Angestellten, die von der Bundesapothekerkammer benannt worden seien, immerhin Mitentscheidungsbefugnisse eingeräumt.
Es sei notwendig, so die einhellige Meinung der Teilnehmer, die Meinungsbildung auf der Seite der abhängig Beschäftigten sehr viel stärker als bisher zu fördern, um dem Wortlaut der Kammergesetze, “die beruflichen Belange aller Berufsangehörigen zu vertreten”, besser als bisher gerecht zu werden. Es sei auch daran zu denken, ob nicht auch eine hauptamtlich tätige Stelle dafür eingesetzt werden sollte, um die Meinungen und Interessen der nicht Selbstständigen besser zu bündeln und in die Gremien der Kammern und ABDA zu transportieren. Denn dies sei notwendig, um die bestehenden strukturellen Schwächen, die bei Angestellten bestehen (z.B. hohe Teilzeitquote, geringe finanzielle Möglichkeiten, geringe Anzahl der nicht in Apotheken arbeitenden Apothekerinnen und Apotheker), wenigstens zum Teil abzumildern.
Keine Einigkeit wurde bei der Frage erzielt, ob die Bundesapothekerkammer als Arbeitsgemeinschaft der Apothekerkammern mehr als bisher innerhalb der ABDA an Bedeutung gewinnen sollte. Während die Präsidentin der Bundesapothekerkammer dafür plädierte, die durch die ABDA repräsentierte Einheitlichkeit des Berufsstandes nach außen nicht zu gefährden, setzte sich Frau Simon energisch für eine größere Eigenständigkeit der Bundesapothekerkammer mit eigenen Haushaltsmitteln und eigenem Personal ein. Die vorgenommenen Satzungsänderungen durch eine hinter verschlossenen Türen arbeitende Kommission habe die vorher erhofften Veränderungen in Richtung von mehr Demokratie und Haushaltstransparenz nicht nur nicht erfüllt, sondern total ignoriert. Das mache sich insbesondere im Umgang mit den nichtselbständigen Apothekerinnen und Apothekern deutlich, die jetzt sogar ihr Mitbestimmungsrecht verloren hätten. Insofern hätten sich die undemokratischen Strukturen, die sich z. B. in der Ausgrenzung von Angestellten bei berufsrelevanten Entscheidungen, in Zwangsmitgliedschaft und unternehmerfreundlichen Interessenvertretungen von Kammern in der ABDA manifestieren, weiter verfestigt.
Das von der ABDA veranlasste Rechtsgutachten, das nicht zuletzt mit Kammerbeiträgen der Angestellten finanziert worden sei, bedeute eine Kampfansage an alle demokratischen Bemühungen innerhalb des pharmazeutischen Berufsstandes. Bestehende Ungleichheiten würden ausdrücklich nachträglich sanktioniert und bestätigt hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit und das in dem Wissen, dass der Teil der selbständig tätigen Apotheker nur noch 37 % des Berufsstandes ausmacht.
Die Vielfalt der pharmazeutischen Tätigkeiten und die dort arbeitenden Kolleginnen und Kollegen – in den Krankenhäusern, in den Universitäten, in den öffentlichen Verwaltungen, in den Krankenkassen, in den fachlichen Medien und anderswo – mit ihren unterschiedlichen Interessenlagen und Rahmenbedingungen fänden sich bis heute und sicherlich auch in absehbarer Zukunft nicht in der ABDA-Politik beachtet und widergespiegelt.
Mit Interesse wurden von den Teilnehmern die Überlegungen von Frau Linz und anderen Vertretern der Bundesapothekerkammer aufgenommen, die auf die Einrichtung eines Beirates hinzielen, der das Problem etwas entschärfen könne. In dieses Gremium könne man Vertreter aus anderen Verbänden berufen und auf diese Weise im Gesamtkonstrukt ABDA den nicht in Apotheken arbeitenden Berufsangehörigen eine deutliche Stimme verleihen.
Ingeborg Simon plädierte darüber hinaus für eine Stärkung der Bundesapothekerkammer in der ABDA. Zwar sei die Mitarbeit der Bundesapothekerkammer in der ABDA grundsätzlich möglich. Notwendig und vor allem politisch zu fordern sei aber eine starke Arbeitsgemeinschaft der Kammern, deren Arbeit und deren finanzielle Ressourcen transparent gemacht werden müssten; denn diese würden ja letztlich von allen Kammermitgliedern bezahlt. So könne sicherlich auch die Mitarbeit der angestellten und beamteten Apothekerinnen und Apotheker gefördert werden, eine Mitarbeit, die unter den derzeitigen Bedingungen und innerhalb der heutigen ABDA kaum zu erreichen sei.
Dies fand auch die Unterstützung von Herrn Mattern, der unter den gegebenen Bedingungen alle pharmazeutischen Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst verstehen könne, die in einer Mitarbeit bei einer fast ausschließlich auf die Apotheken fixierten Kammer keinen Sinn für sich und ihre Arbeit sehen würden. Es sei ihnen auch nicht zu verdenken, wenn diese sich sogar z. T. darüber ärgerten, wenn ihnen der Jahresbeitrag zur Kammer abverlangt werde, ohne dass sie einen ausreichenden Nutzen von der Kammer erwarten könnten. Nach Meinung des BApÖD-Vorsitzenden seien die Einschränkungen bei der Auswahl der im Gesamtvorstand vertretenen nicht selbstständigen Kollegen – sie müssen hauptberuflich tätig sein, und die Vorschläge von Verbänden können von der Mitgliederversammlung der ABDA abgelehnt werden – ein Ausdruck mangelnden Vertrauens gegenüber einem sachgerechten Vorschlag der Fachverbände. Der BApÖD sei sich sicher, dass die Fachverbände nur Vertreter vorschlagen werden, die auch geeignet sind, die Anliegen der Kolleginnen und Kollegen aus ihrem Tätigkeitsbereich zu vertreten.
Den Mangel an Mitbestimmungsmöglichkeiten für die nicht selbständigen Apothekerinnen und Apotheker in den Kammern und in der ABDA gelte es abzubauen, so die zentrale Botschaft der Veranstaltung. Dazu reichten die bisherigen Änderungen an der Satzung der ABDA längst nicht aus. Ganz im Gegenteil: durch den Entzug der Mitbestimmungsmöglichkeiten für Angestellte sei die Satzung sogar ein Rückschritt. Es gelte weiterhin, energisch neue Schritte in Richtung mehr Demokratie in den Kammerorganisationen und in der ABDA zu fordern.
Abgedruckt im Rundbrief 68
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