Frauen in der Standespolitik – fast schon Normalität?

Der Wandel eines Berufes über die Zeit

Sommer 2004

 

von Gabriele Beisswanger

 

Menge (AK Nordrhein), Holzgrabe (DPhG), Johanns (AK Mecklenburg-Vorpommern) -  In den letzten Jahren wurden so viele Frauen in führende Positionen von Standespolitik und Wissenschaft gewählt, dass es schon kaum mehr auffällt, dass es sich bei den Gewählten um Frauen handelt. Und das ist auch gut so. Erst wenn das Geschlecht bei solchen Wahlen keine Rolle mehr spielt, sind wir da, wo wir eigentlich hin wollten. Die Standespolitik befindet sich im Wandel – es war bitter nötig.

 

Nach und nach verabschiedet sich die Apothekerschaft von ungeschriebenen Gesetzen: Sogar Angestellte dürfen jetzt Kammerpräsidentinnen werden. Damit trägt die Standespolitik einer Entwicklung Rechnung, die sich an der Basis, der öffentlichen Apotheke, schon längst vollzogen hat. Die Entwicklung des Apothekerberufs zu einem Dienstleistungsberuf, der überwiegend von Frauen ausgeübt wird.

 

Nicht immer ein Frauenberuf

 

Die Entwicklung des Apothekerberufs zu einem Frauenberuf war im Jahr 1899, der Öffnung des Pharmaziestudiums für Frauen, noch keineswegs vorhersehbar. In den ersten Jahren war der Studiengang Pharmazie bei den jungen Frauen sogar ausgesprochen unbeliebt. Das hatte seine Gründe weniger in der naturwissenschaftlichen Orientierung des Studiums als viel mehr in der handwerklichen Ausbildung. Nach der Ausbildungsordnung von 1904 musste vor dem viersemestrigen Studium eine drei- bis vierjährige Lehr- und Gehilfenzeit absolviert werden. Zunächst musste also ein Apotheker gefunden werden, der bereit war, ein junges Mädchen jahrelang in seiner Apotheke aufzunehmen. Bei den jungen Mädchen, bzw. deren Eltern, bestanden sicherlich ebenfalls Vorbehalte, etliche Jahre Apotheke und Wohnung mit einem möglicherweise heiratswilligen einsamen Landapotheker zu teilen. Landapotheker versprachen sich nämlich von den jungen angehenden Pharmazeutinnen eine Behebung des „Gehilfenmangels” in ihren Apotheken.

 

Die erste Apothekerin und ihre Nachfolgerinnen

 

Als erste Frau schloss 1906 Magdalena Neff, geb. Meub, (1881-1966) das Pharmaziestudium ab. Weibliche Lehrlinge in den Apotheken und gar Pharmaziestudentinnen konnte man um 1910 noch an einer Hand abzählen. Dies änderte sich in den 1920ern Jahren rapide. Ein Grund hierfür war sicher ein Spezifikum der Apothekerausbildung. Man konnte als Vorexaminierte bereits arbeiten und Geld verdienen, ohne jemals das Studium aufzunehmen. Einen offiziellen pharmazeutischen Assistenzberuf gab es nicht, von daher wurde dieser Zustand lange toleriert. Doch auch im Studium nahm die Zahl der Frauen schnell zu. Ende der zwanziger Jahre war der Frauenanteil auf etwa ein Viertel gestiegen. Gute Berufsaussichten – dem Pharmaziestudium haftet ja seit jeher das Odium eines Brotstudiums an – sowie familiäre Arbeitsbedingungen in den Apotheken trugen dazu bei, den Beruf für Frauen attraktiv zu machen. Auch während des Nationalsozialismus erfuhr das Frauenpharmaziestudium keinen nennenswerten Einbruch. In den 1950er Jahren stieg der Frauenanteil in der BRD auf 60 Prozent.

 

Etwas anders verlief die Entwicklung in der DDR. Früher als in der BRD wurde das wissenschaftliche Niveau des Pharmaziestudiums angehoben und das Studium verlängert. Bei den Approbierten lag der Frauenanteil in der DDR bedeutend höher als in der BRD. So waren im Jahr 1989 in der DDR 72 Prozent der berufstätigen Apotheker Frauen, in der BRD dagegen nur 54 Prozent. Dies liegt unter anderem an dem in der DDR insgesamt höheren Frauenanteil bei den Erwerbstätigen. Doch verdeutlicht dieses Beispiel einmal mehr, dass der Frauenanteil in bestimmten Berufen weniger mit den Studieninhalten, der „Wissenschaftlichkeit”, eines Studiums zusammenhängt, als vielmehr mit der Stellung der Frau und des Berufs in der Gesellschaft allgemein.

 

Veränderung in Standespolitik und Berufsbild

Heute ist der Apothekerberuf ein Dienstleistungsberuf. Personenbezogene Dienstleistungen werden traditionell mit „weiblich” assoziiert, gelten als teilzeitgeeignet und sind vergleichsweise schlecht bezahlt. Der Apothekerberuf ist einer der wenigen naturwissenschaftlichen Berufe, der es Frauen ermöglicht, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Solange sich nichts daran ändert, dass nur die Frauen dieses „Vereinbarkeitsproblem” haben, werden sich Frauen auch bevorzugt in teilzeitgeeigneten Berufen wiederfinden.

 

Vom zunehmenden Frauenanteil im Beruf war in den standespolitischen Gremien bis vor kurzem nichts zu spüren. Lange waren dort die Männer unter sich. Erst 1999 wurde mit Karin Wahl eine Frau an die Spitze einer Apothekerkammer gewählt.

 

Genauso wurde die Wandlung des Berufsbilds von den Kammern und Verbänden verschlafen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die aus heutiger Sicht etwas seltsam anmutenden Diskussionen um die Aufnahme der Beratungspflicht in die Apothekenbetriebsordnung. Lange hat die Standespolitik die Augen davor verschlossen, dass das Bild der Pharmazie in den Augen der breiten Öffentlichkeit und der Politiker von der öffentlichen Apotheke geprägt ist. Die praktische Berufsausübung in der öffentliche Apotheke wurde bis vor wenigen Jahren sträflich vernachlässigt. Erst in letzter Zeit werden in der Kammerarbeit Begriffe wie Dienstleistung, Pharmaceutical Care oder Pseudo Customer Concept mit Leben gefüllt. Ein Zufall, dass die Öffnung der Kammerpolitik in diese Richtung mit einem steigenden Anteil an berufspolitisch aktiven Frauen zusammenhängt? Mittlerweile ist klar, dass die Existenzberechtigung der Institution Apotheke entscheidend davon abhängt, ob und wie die Apothekerschaft ihr pharmazeutisches Wissen den Kunden „verkaufen” kann. Dass pharmazeutische Betreuung keine „weibliche Naturbegabung” ist, sondern einer qualifizierten Ausbildung bedarf, dürfte nach den verheerenden Testergebnissen der letzten Monate ebenfalls klar sein.

Literaturtipp

„Frauen in der Pharmazie” von Gabriele Beisswanger, Gudrun Hahn, Evelyn Seibert, Ildikó Szász und Christl Trischler, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 2001, 19,80 Euro, ISBN 3-7692-2905-3


http://www.vdpp.de

TERMINE

 

07. Oktober, online

Pharmacists for Future (Ph4F) 

 

18. November, online

VdPP-Vorstandssitzung 

 

04. November, online

Pharmacists for Future (Ph4F) 

 

 

25. November, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

02. Dezember, online

Pharmacists for Future (Ph4F)

 

02. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

09. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"

 

16. Dezember, online

VdPP-BPhD-Seminarreihe zu "Pharmazie und Planetary Health"