Einige Gedanken zu Beamten und ihrer Einbeziehung in die Sozialversicherungen
von Thomas Schulz
Die Überlegungen zur Gesundheitsreform schießen ins Kraut. Im Augenblick scheint nichts undenkbar zu sein. Daher möchte ich den Blick auf einen – meiner Meinung nach – unhaltbaren Zustand richten: Die Sonderregelungen für Beamte und die Frage, wer eigentlich davon profitiert.
Ich werde in meinem Beitrag zwei Aspekte unter die Lupe nehmen: Die Krankenversicherung "des Beamten" und die Altersversorgung "der Beamtin".
Zur Krankenversicherung
Beamte sind von der Pflichtmitgliedschaft in der GKV ausgenommen. Im Krankheitsfall übernimmt der Arbeitgeber ("Dienstherr" im Beamtendeutsch) bei einem alleinstehenden Beamten 50 % der anfallenden Kosten im Rahmen der "Beihilfe". Der Beihilfesatz steigt für den Ehepartner auf 70 % und für Kinder auf 80 %. Nach Pensionierung steigt der Beihilfeanteil für den Beamten auf 70%. Offensichtlich besteht hier eine Absicherungslücke. Diese Lücke hat der Beamte mit einem privaten Krankenversicherungsvertrag zu schließen.
Im Krankheitsfall erhält also die Beamtin die Rechnungen und schickt diese erst zur Beihilfe und dann zur PKV.
Was ist an diesem Verfahren unsozial und unsolidarisch?
Zuerst soll dies aus Sicht der Beamtin analysiert werden: Die Beamtin hat zwar eine Wahlmöglichkeit, er oder sie kann sich für eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV entscheiden, z.B. dann wenn eine Grunderkrankung vorliegt, die einen normalen Versicherungstarif in der PKV ausschließt. Oder wenn einer der Familienangehörigen sich in einem Gesundheitszustand befindet, der eine Versicherung in der PKV praktisch unmöglich macht. Auch eine größere Familie mit mehr als drei Kindern führt zu erheblichen finanziellen Belastungen für die PKV ... In so einem Fall kann es für den Beamten günstiger sein sich für die freiwillige Mitgliedschaft in der GKV zu entscheiden. Diese freiwillige Mitgliedschaft kommt die Beamten horrend teuer, denn sie zahlen nicht nur den Arbeitnehmeranteil sondern auch den Arbeitgeberanteil! Der "Dienstherr" stellt sich nämlich auf den Standpunkt, dass mit seinem Beihilferecht alles bestens ist für den Beamten und somit keine Zahlungspflicht besteht.
Das sind keine Ausnahmen, der Staat entzieht sich in vielen Fällen seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen Beschäftigten!
Ein kleine Verschiebung der Perspektive: Warum hält der Staat dieses archaische Beihilfesystem bei? Einfache Antwort: Es ist - derzeit noch - billiger! Der Staat spart durch dieses Verfahren riesige Summen an Krankenversicherungsbeiträgen! Es ist eigentlich unvorstellbar in unserem durchreglementierten Staat, dass der größte Arbeitgeber für einen erheblichen Anteil seiner Beschäftigten Sonderregelungen aufrecht erhält von denen gewerbliche Arbeitgeber träumen ... und die dem Gedanken einer solidarischen Krankenversicherungen diametral entgegengesetzt sind!
Die GKV könnte mit Sicherheit erheblich entlastet werden, wenn ALLE Beamte und Beamtinnen (und auch alle Abgeordneten) Mitglieder der GKV werden würden. Da diese Gedanken nun auch von Prof. Lauterbach verbalisiert wurden, können wir gespannt sein, was daraus wird. Denn die Schattenseite wäre eine entsprechende Erhöhung der Staatsausgaben und damit sofort anstehende Steuererhöhungen. Dies ließe sich aber durchrechnen, sodass der Normalverdiener einerseits durch eine spürbare Senkung des Krankenkassenbeitrages entlastet und andererseits durch eine Steuererhöhung (Mehrwertsteuer o.ä.) belastet werden würde.
Zusammenfassend lässt sich für den Bereich der Krankenversicherung sagen, dass der Staat durch die derzeit geltenden Beihilferegelungen massiv Geld einspart, was der GKV fehlt und damit eine schwere Aushöhlung des Solidarprinzips darstellt.
Zur Altersversorgung
Noch viel peinlicher sieht die Situation für den Staat und seine verantwortlichen PolitikerInnen im Bereich der Altersversorgung aus:
Im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung leisten und leisteten die Beamten schon seit Jahrzehnten ihren Beitrag zur Altersversorgung durch einen - im Vergleich zum Angestellten in der gleichen Gehalts- bzw. Besoldungsstufe - reduzierten Betrag des Bruttogehaltes. Hierbei ist allerdings festzuhalten, dass die immer noch geltende Absenkung um 7 oder 9 % (prüfen !) nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entspricht. Diese Absenkung stellt praktisch den Arbeitnehmeranteil dar. Dieser Arbeitnehmeranteil müsste mit einem entsprechenden Arbeitgeberanteil zurückgelegt werden für die Finanzierung der späteren Beamtenpension.
An dieser Stelle wird Irritation eintreten: Wer hat schon davon gehört, dass PolitikerInnen einen Zeithorizont überblicken, der über vier Jahre hinausgeht? Diese Rückstellungen, die
eigentlich jeder sorgfältig wirtschaftende Mensch oder Betrieb aufbauen würde und müsste, gibt es natürlich nicht. Die "Ersparnis" durch Verbeamtung wird sowohl von den Stadtkämmerern als auch vom
Bundesfinanzminister sofort zur Deckung akuter Lücken verbraten, wissend, dass die Belastung durch die Pensionslasten in eine - inzwischen nicht mehr so - ferne Zukunft verlagert wird und zukünftige
Generationen sich um die Erbringung der entsprechenden Gelder kümmern dürfen. Gegen dieses Finanzgebaren wirkt eine Firma wie EM-TV noch wie ein Muster an Seriosität!
Wie teuer ein Beamter wirklich ist wird in den seltenen Fällen offensichtlich, wenn er oder sie aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet. An dem Tag muss der Bund (oder das Land oder die Kommune) den Beamten in der gesetzlichen Rentensicherung nachversichern, d.h. Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil werden auf einen Schlag nachgezahlt. Bei mir wird das spätestens am 31. August 2006 passieren, da ich Beamter auf Zeit bin. Die Bundesrepublik Deutschland wäre übrigens sofort zahlungsunfähig, wenn alle 1,7 Millionen Beamtinnen und Beamten ihre Ernennungsurkunden an einem Tag zurückgeben würden und sich nachversichern lassen würden. Man rechne mal etwa 100.000 Euro Nachversicherungssumme pro Beamten, dann kämen wir auf 170 Milliarden Euro, die fällig würden ...
Um die Beamten davon abzuhalten wird bei der Nachversicherung übrigens nur der gesetzlich übliche Betrag gezahlt. Im Gegensatz zu den Sonderversicherungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst (VBL), die - bislang - vom öffentlichen Arbeitgeber allein bezahlt wurden, erfolgt für ausscheidenden Beamte keine Nachversicherung bei der VBL. Das stellt eine erhebliche finanzielle Benachteiligung dar, sodass nicht mit einem massenhaften Ausscheiden der Beamten zu rechnen ist ...
Noch einige Klarstellungen zu einigen Schauermärchen über Beamte:
- Weihnachtsgeld:
- Pensionierte Beamte erhalten ein Weihnachtsgeld. Bei Rentnern ist das 13. Monatsgehalt bereits in die normale Rentenzahlung eingearbeitet ...
- Steuern:
- Beamte versteuern ihre Pensionen. Rentner erhalten die Rente unversteuert.
- Arbeitszeit:
- Angestellte im öffentlichen Dienst arbeiten 38,5 Stunden, Beamte arbeiten 40 Stunden, in Berlin sogar 42 Stunden.
Insgesamt zeigt die Finanzierung der Sozialleistungen der Beamten ein erschreckendes Maß an Unsolidität -ganz zu schweigen von der Absage an das Solidarprinzip unserer Sozialversicherungen. Echte Reformen würden die Finanzierungsschlampereien (die völlig unabhängig von der jeweils verantwortlichen Regierungspartei sind) aus vergangenen Jahrzehnten offensichtlich machen und damit sofort viel mehr Geld erfordern. Es wird also weiter bei der Flickschusterei bleiben und jede(r) Politiker(in) wird hoffen, dass der Zusammenbruch der Sozialversicherungssysteme nicht in die eigene Regierungsverantwortung fallen wir.
TERMINE
07. Oktober, online
18. November, online
VdPP-Vorstandssitzung
04. November, online
02. Dezember, online