Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) - Fragen und Antworten

Auszug aus "Fragen und Antworten", die das BMGS den Abgeordneten bzgl. des GMG zusammengestellt hat

 

26. Mai 2003

8. Verbesserung der Arzneimittelversorgung und Arzneimittelsicherheit

 

Nutzenbewertung von Arzneimitteln: Was wird geregelt?

 

Das Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin soll für alle neuen Arzneimittel sowie diejenigen Arzneimittel, die von erheblicher Bedeutung für die Versorgung sind, den Nutzen und die Kosten bewerten. Dabei soll festgestellt werden, was neue Arzneimittel leisten, wie dies im Verhältnis zu den Risiken zu bewerten ist und welche Mehrkosten für diese Arzneimittel im Verhältnis zu ihrem zusätzlichen Nutzen gerechtfertigt sind. Auf dieser Grundlage sollen Empfehlungen darüber abgegeben werden

  • für welche Patienten und Erkrankungen der Einsatz dieser Arzneimittel eine maßgebliche therapeutische Verbesserung bedeutet und
  • welche Obergrenzen für die Erstattung dieser Arzneimittel durch die gesetzliche Krankenversicherung gerechtfertigt sind.

 

 

Was soll durch die Nutzenbewertung von Arzneimitteln erreicht werden?

 

Ein wesentlicher Teil der Beitragssatzsteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten Jahren ist auf Mehrausgaben durch neue teure Arzneimittel zurückzuführen. Durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen ist belegt, dass die Mehrkosten dieser Arzneimittel in vielen Fällen unverhältnismäßig hoch sind im Vergleich zu dem zusätzlichen Nutzen dieser Mittel für die Patientenversorgung. Insbesondere gibt es viele Arzneimittel mit nur geringfügigem zusätzlichen Nutzen (die sog. Schrittinnovationen), die aber durch "Sprungpreise" unverhältnismäßig höhere Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen verursachen. Durch die Nutzenbewertung sollen die Mehrkosten dieser Arzneimittel in ein angemessenes Verhältnis zum Nutzen gebracht werden.

 

 

Verschlechtert die Nutzenbewertung die Versorgung mit neuen Arzneimitteln?

 

Nein. Es wird immer wieder behauptet, die Nutzenbewertung sei eine "Vierte Hürde", womit gemeint ist, dass die Versicherten neue Arzneimittel erst erhalten würden, wenn eine Nutzenbewertung abgeschlossen ist. Diese Behauptung ist falsch, weil das Gesetz ausdrücklich regelt, dass neue Arzneimittel unabhängig von der Abarbeitung durch das Deutsche Zentrum sofort zur Verfügung stehen, sofern sie nicht grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sind. Außerdem hat der Gesetzgeber ausdrücklich vorgegeben, dass das Zentrum feststellen soll, welche Patienten die neuen Arzneimittel wirklich benötigen, damit diese auch tatsächlich zur Verfügung stehen.

 

 

Wird durch die Nutzenbewertung die Erforschung neuer Arzneimittel behindert?

 

Nein. Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland wird im Vergleich zu den Systemen in den europäischen Nachbarstaaten auch weiterhin einen vorbildlich breiten Versorgungsumfang bei Arzneimitteln garantieren. Deutschland greift aber die Erfahrungen der Nachbarstaaten auf, so dass die Krankenkassen künftig nicht mehr völlig überhöhte Preise für neue Arzneimittel mit nur geringfügigem Zusatznutzen bezahlen müssen. Unternehmen, die Arzneimittel mit echten therapeutischen Innovationen entwickeln, werden auch zukünftig angemessene, höhere Preise erzielen können. Dies ist ein Anreiz, die Forschungsanstrengungen stärker auf echte Innovationen zu konzentrieren. Weil künftig keine überhöhten Kosten für Schrittinnovationen mehr anfallen, wird der notwendige finanzielle Spielraum für die Finanzierung echten Fortschritts in der Medizin geschaffen.

 

 

Ist die Nutzenbewertung der Einstieg in die Staatsmedizin?

 

Nein. Das Institut wird von einer breiten Beteiligung der Fachkreise im Gesundheitswesen einschl. der Patientenvertretung getragen, ist also kein Teil des Ministeriums. Ziel der Nutzenbewertung ist eine industrieunabhängige, nicht vom pharmazeutischen Außendienst der Hersteller gesteuerte Information über Nutzen und Risiken neuer Arzneimittel, die von unabhängigen Wissenschaftlern erstellt wird. Die Umsetzung der Empfehlungen der Wissenschaftler in das Sozialrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt weiterhin Aufgabe der Selbstverwaltung. Das Zentrum soll eine wissenschaftliche Unterstützung für die Aufgaben der Selbstverwaltung sein.

 

 

Preisfreigabe bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Was wird geregelt?

 

Die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (sog. OTC-Arzneimittel) werden aus der Preisbindung der "zweiten Hand" herausgenommen. Das bedeutet, dass keine staatlich festgeschriebenen Handelsspannen für den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken mehr festgelegt werden.

 

 

Werden Arzneimittel teurer?

 

Nein. Mit der Aufhebung der Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wird ein für die Patientinnen und Patienten vorteilhafter Preiswettbewerb eingeführt, der nach Auffassung von Experten zu sinkenden Arzneimittelpreisen führen kann, denn in europäischen Nachbarstaaten gibt es keine Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, und diese Mittel sind dort oftmals billiger als in Deutschland.

 

 

Ist Preiswettbewerb bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für den Gesundheitsschutz schädlich?

 

Nein. Die Befürchtung, dass Patientinnen und Patienten aufgrund von Sonderangeboten bei Arzneimitteln dazu verführt werden könnten, zu viele Medikamente einzunehmen, wird von unabhängigen Experten nicht geteilt. Die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel können bereits heute von jedermann in den Apotheken frei, d.h. ohne Rezept gekauft werden. Es handelt sich überwiegend um leichte Schmerzmittel, Hustensäfte, Ohrentropfen, Magen-Darm-Mittel und Mineralstoffpräparate. Das Misstrauen, dass Patientinnen und Patienten mit diesen Arzneimitteln unvernünftig umgehen könnten, ist überwiegend nicht gerechtfertigt. Wer eigenständig Arzneimittel in der Apotheke kauft, soll künftig auch die Möglichkeit haben, Vorteile durch Preiswettbewerb zu nutzen.

 

 

Was passiert bei der Neuordnung der Handelszuschläge der Apotheken?

 

Ab dem 1. Januar 2004 sollen die staatlich vorgegebenen Handelszuschläge für den Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den Apotheken neu geregelt werden. Anstelle des bisher geltenden prozentualen Zuschlags auf den Arzneimittelpreis soll ein einheitlicher packungsbezogener Festzuschlag von 7,30 € je Packung zuzüglich 3 % auf den Apothekeneinkaufspreis gelten.

Bisher verdient der Apotheker umso mehr, je teurer die Arzneimittel sind, die er abgibt. Diese Regelung kollidiert mit der Aufgabe des Apothekers, Patientinnen und Patienten allein nach medizinischen Gesichtspunkten zu beraten. Der Anreiz, möglichst teure Arzneimittel zu verkaufen, ist damit nicht vereinbar. Durch die Umstellung auf einen fixen Zuschlag je Packung hat der Apotheker künftig keinen Nachteil, wenn er preisgünstige, qualitativ gleichwertige Arzneimittel empfiehlt. Damit wird auch die bisher ungerechte Honorarverteilung zwischen den Apotheken beseitigt, die darin besteht, dass diejenigen Apotheken einen Nachteil haben, die viele Patientinnen und Patienten beraten, die preisgünstigere Arzneimittel benötigen. Der Aufwand des Apothekers für die Beratung hängt nicht vom Preis des Arzneimittels ab.

 

 

Erweiterung direkter Vereinbarungen zwischen Arzneimittelherstellern und Krankenkassen: Was ist geregelt?

 

Die Krankenkassen erhalten die Möglichkeit, Arzneimittel, die ihre Versicherten benötigen, künftig bei den Arzneimittelherstellern auszuschreiben, so dass diejenigen Hersteller bevorzugt berücksichtigt werden können, die vorteilhafte Rabatte gewähren.

 

Es bleibt aber weiterhin die Entscheidung des einzelnen Arztes, welches Arzneimittel im Einzelfall verordnet wird. In diesem Rahmen kann die Krankenkasse dem Arzt den zusätzlichen Aufwand zur Berücksichtigung besonders preisgünstiger Hersteller zusätzlich vergüten. Damit können in den Fällen, in denen mehrere medizinisch gleichwertige Arzneimittel angeboten werden, die Hersteller mit günstigen Angeboten bevorzugt werden.

 

 

Welchen Vorteil hat diese Regelung?

 

Die neue gesetzliche Regelung soll es den Krankenkassen ermöglichen, als Großkunden Einkaufsvorteile bei den Arzneimittelherstellern zu vereinbaren. Das kommt den Beitragszahlern unmittelbar zugute, weil die medizinisch notwendigen Arzneimittel zu günstigeren Preisen eingekauft werden können. Die neue Regelung für Direktverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern ist ein Beispiel dafür, wie durch Verstärkung des Wettbewerbs in der Krankenversicherung eine qualitativ hochwertige Versorgung zu niedrigeren Kosten bereitgestellt werden kann.

 

 

Warum brauchen wir eine Positivliste?

 

In Deutschland gibt es ein auch für Ärztinnen und Ärzte unübersehbares Arzneimittelangebot. Zur Zeit sind rund 40.000 Arzneimittel auf dem Markt.

Das Problem dabei:

  1. Die Zulassung differenziert nicht, ob ein Mittel besser oder schlechter geeignet ist.
  2. Immer noch sind Tausende dieser Arzneimittel nicht hinreichend auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft.

 

Deshalb sollen Ärzte und Ärztinnen mit der Positivliste ein verlässliches Instrument zur rationalen und qualitätsgesicherten Arzneimitteltherapie erhalten. Die Positivliste entspricht einer langjährigen Forderung der Ärzteschaft, die auch auf dem diesjährigen außerordentlichen Ärztetag erneut erhoben worden ist.

Die Positivliste wird in einem eigenständigen Gesetz geregelt, das Mitte des Jahres in Kraft treten soll. (Nach Inkrafttreten der Positivliste entfällt die Negativliste.)

 

 

Nach welchen Kriterien erfolgt die Aufnahme in die Arzneimittel-Positivliste?

 

Die Entscheidung über eine Aufnahme der schulmedizinischen Arzneimittel erfolgt nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin, d.h. der Nutzen eines Wirkstoffes oder einer Wirkstoffkombination wird grundsätzlich anhand von kontrollierten Studien bewertet. Nicht aufgenommen werden Arzneimittel, wenn der therapeutische Nutzen gering ist oder unzureichend begründet ist oder sie nur bei geringfügigen Gesundheitsstörungen eingesetzt werden.

 

Die Aufnahme der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen erfolgt unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Therapierichtungen. Auch bei der Verordnung von Arzneimitteln des Anhangs sind sozialgesetzliche Regeln zu beachten.

 

 

Erhalten die Patientinnen und Patienten durch die Positivliste ihre Medikamente nicht mehr?

 

Die Positivliste wird alle Medikamente enthalten, die für eine notwendige, ausreichende und zweckmäßigen Versorgung der Patientinnen und Patienten sinnvoll sind. Deshalb wird den Ärztinnen und Ärzten auch in Zukunft ein hinreichend großes Arzneimittelangebot zur Verfügung stehen, um bei den verschiedenen Indikationen mit Arzneimitteln therapieren zu können. Es kann jedoch sein, dass statt des bisher verordneten Medikamentes auf ein besser geeignetes umgestellt wird. Das kommt den Patientinnen und Patienten zu gute, die sich auf die Qualität der Arzneimitteltherapie verlassen können. Denn Hauptziel ist die Verbesserung der Arzneimitteltherapie. Wird statt einer wenig oder nicht geeigneten Arzneimitteltherapie eine andere therapeutische Maßnahme eingesetzt, ist auch dies zum Nutzen der Patientinnen und Patienten - und es vermeidet mögliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln ohne gesicherten therapeutischen Nutzen. So sollten z.B. durchblutungsfördernde Mittel durch ein Gehtraining abgelöst werden.

 

 

Was wird durch die Positivliste gespart?

 

Vorrangig dient die Positivliste der Qualität der Arzneimittelverschreibung und der Transparenz des Angebotes für Ärztinnen und Ärzte. Nach dem derzeitigen Stand resultieren Einspareffekte im Wesentlichen aus der Nichtaufnahme "chemisch definierter" Arzneimittel, z.T. werden aber ausgeschlossene Arzneimittel durch andere ersetzt werden. Deshalb ist die Höhe der Einsparungen von Ausmaß und Höhe der Substitutionen abhängig.

 

Basierend auf den Recherchen des Wissenschaftlichen Instituts der Krankenkassen (WldO) beläuft sich das durch die Arzneimittel-Positivliste ausgeschlossene Verordnungsvolumen auf annähernd 1,7 Mrd. €. Nach Einschätzung von Fachkreisen kann durch Verzicht auf die Verordnung von Arzneimitteln mit geringem Nutzen oder mittels Ersatz durch nichtmedikamentöse Therapien von Einsparungen durch die Arzneimittel-Positivliste in Höhe von rd. 800 Mio. € ausgegangen werden.

 

 

Werden neue Medikamente den Versicherten mit der Positivliste noch zur Verfügung stehen?

 

Alle notwendigen und zweckmäßigen Arzneimittel werden auf der Positivliste stehen. Dies gilt natürlich auch für neue Arzneimittel. Das Institut für die Arzneimittelverordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird dafür sorgen, dass neu zugelassene Arzneimittel unverzüglich in die Positivliste aufgenommen werden können und damit den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.

 

 

Bedeutet die Positivliste den Verlust von Arbeitsplätzen in der Arzneimittelindustrie?

 

Die Positivliste stellt eine qualitativ gesicherte Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln sicher. Ist ein bisher verordnetes Medikament nicht in der Positivliste enthalten, so dürfte in vielen Fällen statt dessen ein Arzneimittel mit gesichertem therapeutischen Nutzen verordnet werden, das auf der Positivliste steht. Dies kann zwar zu Verschiebungen im Arzneimittelmarkt, insgesamt aber nicht zu einer arbeitsplatzrelevanten Schrumpfung des Volumens führen.

 

Der Arzneimittelmarkt ist wesentlich umfangreicher, als die gesetzliche Krankenversicherung an Leistungen im Arzneimittelbereich beinhaltet. Schon heute werden längst nicht alle Arzneimittel von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt (z.B. Negativliste, Arzneimittel-Richtlinien). Hinzu kommt die Selbstmedikation. Dabei handelt es sich um Arzneimittel (in der Regel für geringfügige Gesundheitsstörungen), die nur von der Apotheke abgegeben werden dürfen, aber selbst bezahlt werden müssen. Darüber hinaus gibt es Mittel, die nicht apothekenpflichtig sind und auch in Drogerien und Supermärkten verkauft werden wie Vitamine, Mineralstoffe und Tees.

 

 

Warum erfolgt die Bewertung des therapeutischen Nutzens nicht bereits durch die Zulassung?

 

Das Arzneimittelgesetz macht den Marktzugang eines Arzneimittels von der Bewertung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit abhängig. Für die Beurteilung der Verordnungsfähigkeit nach dem Sozialrecht bedarf es anderer Instrumente. Die Positivliste bewertet, basierend auf der Zulassung, den Stellenwert eines Arzneimittels im therapeutischen Umfeld und erleichtert dem Arzt oder der Ärztin die Therapieentscheidung: Ist das Arzneimittel zweckmäßig? Ist es notwendig? Gibt es bessere Behandlungsmöglichkeiten?

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