Der VDPP kritisiert den industriefreundlichen Gesetzesvorschlag zur europäischen Arzneimittelrichtlinie
15. Dezember 2008
Die EU-Kommission folgte am 10. Dezember mit dem „Pharmaceutical package“ weitgehend dem Vorschlag von Günter Verheugen, dem für Unternehmens- und Industriepolitik zuständigen EU-Kommissar: Die Pharmaindustrie soll sich künftig via Internet und mit gedrucktem Material zu Gesundheit, Krankheit und rezeptpflichtigen Arzneimitteln direkt an Verbraucherinnen und Verbraucher richten dürfen. Der Industriekommissar öffnet damit die Schleusen für eine Flut zweifelhafter und von kommerziellen Interessen gesteuerter „Informationen“. Im Frühjahr 2008 wurde zu diesem Vorschlag ein öffentliches Anhörungsverfahren durchgeführt, dessen Ergebnis von Kommissar Verheugen praktisch ignoriert wurde. Der überwiegende Teil der Verbraucherverbände und der Verbände der Heilberufler (Ärzte/Apotheker) wandten sich energisch gegen diese Initiative, Kommissar Verheugen berücksichtigte offensichtlich nur die zustimmenden Rückmeldungen aus der Pharmaindustrie und von Seiten der Zeitungsverleger.
Der VDPP lehnt diesen Gesetzesvorschlag rigoros ab. Arzneimittel werden nach einer Nutzen-Risiko-Abschätzung zugelassen. Insbesondere verschreibungspflichtige Arzneimittel haben neben ihrem Nutzen teilweise erhebliche Risiken. Aus diesem Grund ist ihre Verordnung in den EU-Staaten ausschließlich in die ärztliche Verantwortung gegeben worden. Die Ärzte und Ärztinnen sind darüber hinaus zur Aufklärung der Patienten über die Arzneimitteltherapie verpflichtet. Bei Abgabe der Arzneimittel obliegt dem pharmazeutischen Fachpersonal eine weitere umfassende Informations- und Beratungspflicht gegenüber den Patienten. Außerdem enthalten alle Arzneimittel ausführliche Beipackzettel, deren Inhalt Bestandteil der Zulassung ist. Den Patienten und Verbrauchern steht zum einen der direkte Kontakt mit den Heilberuflern, die mit der individuellen Situation des Patienten vertraut sind, offen. Auf der anderen Seite sind jedem Patienten eine Vielzahl von zuverlässigen, industrieunabhängigen Informationsquellen (wie z. B. Zeitschriften wie „Gute Pillen, schlechte Pillen [1], Veröffentlichungen der Stiftung Warentest [2], Pharmakologiebüche [3]) zugänglich.
Das in Deutschland geltende Heilmittelwerbegesetz wird mit diesem Gesetzesvorschlag untergraben. Wenn die Pharmaindustrie den Patienten direkt „informieren“ darf, so würde in den Darstellungen der Nutzen der Arzneimittel stets höher als das Risiko ausfallen. Dies würde keine objektive Information darstellen, sondern kalkulierte Werbung für eigene Arzneimittel. Zudem kann laut Gesetzesentwurf die vorherige behördliche Kontrolle der „objektiven und zuverlässigen Information“ durch eine Selbstkontrolle der Industrie ersetzt werden. Mit Verbraucherschutz hat das nichts mehr zu tun.
Der VDPP fordert daher die Bundesregierung sowie die Abgeordneten im Europäischen Parlament auf: Stimmen Sie gegen diese Gesetzesinitiative!
Für die zukünftige Arbeit der Kommission erwarten wir eine Änderung der Zuständigkeit: Für Arzneimittel sollte in Europa die Generaldirektion Gesundheit zuständig sein und nicht die Wirtschaft.
gez. Dr. Thomas Schulz
VDPP-Vorstand
2. test SPEZIAL Arzneimittel vom 19. Mai 2007, Handbuch Selbstmedikation vom 04. Oktober 2006, Handbuch Medikamente, 7. Auflage, vom 20. März 2008
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