Presseerklärung des VDPP zur Koalitionsvereinbarung zwischen CDU,CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode des Bundestages

18.11.2009

 

Auch wenn Teile der von der neuen Koalition beabsichtigten Maßnahmen die Zustimmung des VDPP finden, überwiegen die kritisch zu beurteilenden Ziele deutlich. In der Gesundheitspolitik überwiegen die Bemühungen der Koalition, marktwirtschaftliche Elemente, die Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und die Bewahrungen von Privilegien für ihre Wählerklientel durchzusetzen.

 

Positiv herauszuheben ist der beabsichtigte Ausbau der Versorgungsforschung, die Überprüfung der geplanten zentralen Telematikinfrastruktur (ohne die prinzipielle Sinnhaftigkeit von Telematikanwendungen in Frage zu stellen), das geplante Verbot des Pick-Up-Handels mit Arzneimitteln, die Erarbeitung eines Patientenschutz-gesetzes und die Bekämpfung des (drohenden) Ärztemangels im ländlichen Raum. Der VDPP wird sorgfältig überprüfen, ob diese mehrheitlich sehr allgemein formulierten Ziele auch konsequent in die Realität umgesetzt werden.

 

Diese grundsätzlich begrüßenswerten Mosaiksteine verlieren in Anbetracht der katastrophalen grundsätzlichen Ausrichtung der künftigen Regierungsarbeit an Klientelinteressen und einer weiteren Entsolidarisierung im Gesundheitswesen an Bedeutung.

 

Als überragende Neuerungen sind die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge und die einkommensunabhängige Erhebung der Arbeitnehmerbeiträge zu nennen. Diese Maßnahmen machen einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik deutlich und stellen die wohl weitgehendste Aushöhlung des Solidarprinzips seit der Zulassung der privaten Krankenversicherung dar. Es ist dringend zu befürchten, dass die zugesagten Steuermittel zur Abmilderung von Härten mit der Begründung der Unbezahlbarkeit zum Teil eines zukünftigen Sozialabbaus gehören wird. Einklagbar sind diese Hilfen im Gegensatz zur Versorgung im Rahmen der GKV dann leider nicht mehr.

 

Angesichts der Ausgabenentwicklung ist es außerordentlich bedauerlich, dass auch die schwarz-gelbe Koalition die GKV entgegen ihrer im Vertrag definierten Ziele nicht auf eine langfristig solide finanzielle Grundlage stellt. Die drohende Finanzie-rungslücke wird mit der Finanz- und Wirtschaftskrise, der vielbemühten demographischen Entwicklung und dem medizinischen Fortschritt erklärt. Ebenso wie die schwarz-rote und die rot-grüne lässt die jetzige Regierung vollkommen außer Acht, dass sich in erster Linie die Einnahmebasis der GKV verschmälert hat, da Kapital- und Unternehmenseinkünfte, die seit Einführung des Solidarsystems exorbitant gestiegen sind, nicht an der Finanzierung des Solidarsystems beteiligt werden. Weil eine adäquate Beteiligung von Beziehern hoher Einkünfte unter dieser Regierung nicht zu erwarten ist, sondern im Gegenteil die Arbeitgeberbeiträge eingefroren werden sollen, sind hohe Abgabesteigerungen für die Arbeitnehmer zu befürchten. Die angekündigte steuerliche Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen dürfte von höheren Sozialabgaben mehr als wett gemacht werden.

 

Ob der geplante Ausbau von „individuellen Wahlmöglichkeiten und Entscheidungsspielräumen“ wie die ebenfalls angemahnte „Eigenverantwortung“ in ihren Auswirkungen einfach mit Leistungsausschlüssen und Versorgung nach Kassenlage des Patienten übersetzt werden muss, wird der VDPP aufmerksam verfolgen.

 

Die Krankheitsprävention erfährt nach Auffassung des VDPP nicht die Priorisierung, die ihr zusteht. Die Förderung von gesundheitsbewusstem Verhalten ist das Fundament der Bekämpfung der meisten altersassoziierten Krankheiten und verlangt nach mehr Initiative, als die Koalition in ihrer Regierungsvereinbarung erhoffen lässt. Es ist dringend erforderlich, in einem umfassenden Präventions-gesetz die Organisation und Finanzierung der Präventionsförderung zu manifestieren. Der Koalitionsvertrag beschränkt sich jedoch auf Allgemeinplätze und lässt eine Fortführung des gegenwärtigen Fast-Nichts-Tuns erwarten.

 

Die Freiberuflichkeit der Leistungserbringer wird durchgängig als Qualitätsmerkmal per se hingestellt. Es will nicht einleuchten, warum die Anstellung des Arztes in einer Poliklinik dessen Therapiefreiheit behindert. Auch dass die Freiberuflichkeit der Zahnärzte die Grundlage für eine „weitere Verbesserung der Mundgesundheit und die präventionsorientierte Ausrichtung der Versorgung“ darstellen soll, bleibt wohl ein Geheimnis. Ebenso erscheint fraglich, dass ein selbstständiger Apotheker im heilberuflichen Sinne besser berät, als sein angestellter Kollege.

 

Die einzig sinnvolle langfristige Strategie stellt für den VDPP eine umfassende und valide Qualitätsüberprüfung dar. Da aber momentan die Alternative zur Freiberuflichkeit nicht eine Qualitätsorientierung, sondern das Betreiben von Apotheken und MVZ`s durch Kapitalgesellschaften und eine Oligopolisierung im Apothekenmarkt und damit eine noch stärkere Gewinn- bzw. Renditeorientierung bedeuten würde, begrüßt der VDPP die Beibehaltung des aktuellen Fremd- und Mehrbesitzverbotes bei Apotheken sowie der Einschränkung der Geschäftsanteile fachfremder Berufsgruppen bei Medizinischen Versorgungszentren.

 

Dass die sonst favorisierte Marktliberalität ausgerechnet bei Apothekern und Ärzten stark eingeschränkt wird, hat allerdings angesichts der Tatsache, dass sich die Regierungsparteien bei diesen Berufgruppen einer überwältigenden Zustimmung erfreuen dürfen, mehr als nur ein „Geschmäckle“.

 

Die im Koalitionsvertrag ausdrücklich eingeforderte Legitimation, Transparenz sowie „gelebte Demokratie“ in den Selbstverwaltungen der Leistungserbringer als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind seit langem Forderungen des VDPP. Eine stärkere diesbezügliche Unterstützung von staatlicher Seite würde der VDPP begrüßen und wird sie zu gegebener Zeit einfordern.

 

Florian Schulze
VDPP Vorstand

 

 

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