Stellungnahme des VDPP zum Entwurf der GKV-Gesundheitsreform 2000 (BT-Drucksache 14/1245)
September 1999
Den Grundgedanken des vorliegenden Entwurfs stimmt der VDPP zu. Die Aufdeckung von Wirtschaftlichkeitsreserven, die Erhöhung der Qualität der AM-Versorgung, die Beitragsstabilität, die Stärkung der Patientenrechte und Verbesserung der Patientenbeteiligung, sowie die Förderung der Selbsthilfegruppen findet unsere Unterstützung.
Wir wollen uns in den folgenden Ausführungen insbesondere mit den zu erwartenden Auswirkungen für den AM-Bereich auseinandersetzen und untersuchen, inwieweit die geplanten Regelungen dem Erreichen
eingangs genannter Ziele dienen.
Die Positivliste ist lange überfällig. Sie gehört zu den ältesten Forderungen des VDPP. Wir betrachten sie in erster Linie als Instrument, den AM-Markt übersichtlicher und damit sicherer zu gestalten. Bei der Auswahlentscheidung muss deshalb die Qualität oberstes Kriterium vor dem Preis sein.
Die Festlegung des Entscheidungszeitraumes, um Neuzulassungen aufzunehmen von bis zu 3 Monaten ist aus unserer Sicht unnötig lang. Um Unsicherheiten für Ärzte und Patienten zu vermeiden, empfehlen
wir, dass die Entscheidung des Sachverständigenrates zeitgleich mit der Zulassung erfolgt.
Bei der Zusammensetzung des Sachverständigenrates für die Erstellung der Vorschlagsliste plädieren wir für einen dritten Pharmakologen, der auch ein Pharmazeut sein könnte. Eine stärkere Einbringung pharmakologischen Sachverstandes halten wir für notwendig, auch um eine evtl. Sperrminorität der "alternativen" Sachverständigen zu vermeiden. Wir sehen ein Problem in der gemeinsamen Beurteilung "schulmedizinischer" und "alternativer" Präparate. Für die "alternativen" Präparate wird es wegen fehlender Studien vielfach schwierig sein, den therapeutischen Nutzen nachweisen zu können. Nur unter diesen Bedingungen sind sie aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch die solidarische Gesellschaft bezahlbar.
Bei AM, für die es noch keine Generika gibt, stellt die Abgabe von Reimporten auch aus unserer Sicht eine Möglichkeit der Kostenreduktion dar. Eine gesetzlich fixierte Abgabeverpflichtung lehnen wir jedoch aus folgenden Gründen ab. Es ist ökologisch und ordnungspolitisch unsinnig, dass reimportierte AM preiswerter sind. Wir sind sehr verwundert, dass der ökologische Aspekt nicht mal in der Diskussion einer Regierung mit Beteiligung der Grünen eine Rolle spielt. Wir sehen dabei sowohl das Problem der langen, unnötigen Transportwege, als auch die notwendige Neuverpackung mit deutschsprachigen Beipackzetteln und Aufklebern. Die Bedingungen, unter denen die AM hin und her transportiert werden, sind durch uns nicht kontrollierbar.
Außerdem wirkt das Erscheinungsbild dieser Präparate auf die Patientencompliance meist kontraproduktiv. Erschwerend kommt hinzu, dass der Großhandel oft Lieferschwierigkeiten mit Präparaten
bestimmter Importfirmen hat. Das verschriebene AM kann dadurch für die Patienten von mal zu mal anders aussehen, weil in der Apotheke das Produkt einer anderen Importfirma abgegeben werden muss, um
die Verordnung überhaupt beliefern zu können.
Eine Begrenzung der Gesundheitsausgaben ist unverzichtbar. Die Budgetierung bedeutet nach unserer Ansicht jedoch nicht, dass die Gesundheitsausgaben nur relativ zur Grundlohnsumme steigen dürfen. Die demographische Entwicklung, verbesserte Möglichkeiten der Diagnostik, Therapie und Prophylaxe können eine größere Steigerung sinnvoll machen. Derartige Steigerungen müssen jedoch messbare Auswirkungen auf die Erhöhung der Lebenserwartung und -qualität haben.
Das Bruttosozialprodukt als Maß der Leistungsfähigkeit der gesamten Gesellschaft erscheint uns für die Entwicklung des Globalbudgets die sinnvollere Kennzahl zu sein.
Auch wenn die KK aus Sicht der Regierung kein Einnahmenproblem haben, halten wir folgende Überlegungen zur Einnahmensteigerung für angebracht. Unseres Erachtens käme z. B. eine moderate Verbreiterung
der Bemessungsgrundlage in Frage. Eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze der GKV auf diejenige der gesetzlichen Rentenversicherung wäre eine Möglichkeit. Die vor einigen Jahren beschlossene
Senkung der Ausgleichszahlungen der Arbeitslosenversicherung an die GKV sollte ebenso überdacht werden.
Die Anwendung des Benchmarkings für das AM-Budget auf der vorgesehenen Grundlage halten wir für unrealistisch und unrealisierbar. Es genügt nicht, die niedrigen Ausgaben der 3 KV-Bezirke nur nach Alter und Geschlecht den anderen Bezirken anzupassen. Die Ausgabenbesonderheiten der Stadtstaaten (z. B. der höhere Anteil von Aids-Kranken) und der östlichen Bundesländer bleiben dabei unbeachtet. Die spezifischen Morbiditätsraten, die Arbeitslosenquote, der Anteil zuzahlungsfreier Patienten... müssen ebenso eingerechnet werden. Wegen der höheren Versorgungsdichte nutzen Patienten aus den Flächenstaaten das Angebot der Stadtstaaten und verzerren damit die Statistik. Außerdem beziehen sich die Regelungen auf die aktuellen, teilweise sehr kleinen KV-Bezirke im Süden. Diese besonders kleinen Bezirke sollen erst zukünftig zusammengelegt werden.
Wie verhält es sich mit den Therapiebereichen, in denen es nachweislich eine Unterversorgung gibt (z. B. bei der Opiatversorgung von Schmerzpatienten). Eine Optimierung der Behandlung würde hier
zwangsläufig zu einer Ausgabenerhöhung im AM-Bereich führen. Die Bedingungen des Benchmarkings verleiten jedoch zur fortgesetzten Unterversorgung bzw. Verschiebung der Probleme in den stationären
Bereich. Wie soll von Seiten des Gesetzgebers dem Umstand begegnet werden, dass die KK Früherkennungsmaßnahmen vielleicht nicht mehr im ausreichenden Maße unterstützen, weil diese kostspielige
AM-Therapien nach sich ziehen können.
Wegen der genannten Probleme halten wir eine zeitliche Begrenzung der Anwendung des Benchmarkingsystems für unbedingt notwendig.
Bei der Erhebung der Daten ist der Datenschutz nicht gewährleistet. Mit der vorgesehenen Erweiterung der Aufgaben der KK (integrierte Versorgung, Budgetkontrolle, Qualitätsmanagement...) werden Daten zukünftig weit öfter erhoben und ausgewertet. Wir sehen diese Notwendigkeit, da in der Vergangenheit manches aus Datenmangel nicht realisierbar war. Jedoch gibt es keine überzeugenden Anonymisierungsverfahren. "Daten sind zu löschen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden" ist kein Datenschutz!
Aus vielerlei Gründen sind wir gegen die Sammlung personenbezogener Daten allein bei den KK. Diese müssen verpflichtet werden, die anonymisierten Daten der Öffentlichkeit, evtl. einem unabhängigen
Institut zur Verfügung zu stellen. Die Streichung der Verpflichtung für die KK den Ärzten zeitnah Daten zu ihrem Verschreibungsverhalten zur Verfügung zu stellen, halten wir für falsch. Die
Budgetausschöpfung ist damit für die Ärzte nicht steuerbar. Dagegen sind die Ärzte durch die KK steuerbar. Es kommt zu einer ungesunden Machtballung bei den KK.
Für eine Verbesserung der Patientenbeteiligung und -verantwortung muss auch für die GKV-Patienten zeitnah ein Einblick in die Arztabrechnungen möglich sein. Dies wäre auch eine wirksame
Kontrollmaßnahme gegen Falsch- und Doppelabrechnungen.
Zum Schluss wollen wir auf die fehlende Einbeziehung der Apotheker als Leistungserbringer in diesem Gesetz aufmerksam machen Unsere Rolle wird hier auf die reine AM-Abgabe beschränkt. Durch unsere Ausbildung sind wir dagegen sehr wohl in der Lage, die Patienten in ihrer Therapie zu begleiten, Therapie- oder Anwendungsfehler dabei aufzudecken und auch auf diesem Wege z. B. Kosten zu sparen. Durch die Apothekenbetriebsordnung steht uns ein wirksames Instrument der Qualitätssicherung unserer Leistungen zur Verfügung. Eine Ausweitung des Substitutionsrechtes ist auf dieser Grundlage gerechtfertigt.
Katja Lorenz
für den Vorstand
Abgedruckt im Rundbrief 50
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