Stellungnahme des VDPP zum Antrag der FDP zur Abschaffung der Arznei- und Heilmittelbudgets (DS 14/3299)
27. September 2000
Eine Begrenzung der Gesundheitsausgaben ist unverzichtbar. Wir teilen die dem Antrag zu Grunde liegende Kritik jedoch in folgendem.
Die Festlegung eines Arznei- und Heilmittelbudgets ist bestenfalls kurzfristig zur Ausgabensteuerung geeignet, da es lediglich eine rein quantitative Beurteilung der Ausgaben darstellt. Hinzu kommt im aktuellen Fall, dass die Eckdaten des Budgets nicht geeignet sind, die Kosten wirkungsvoll zu begrenzen.
Insbesondere lehnen wir die Kollektivhaftung bei Budgetüberschreitung ab. Sie nimmt auch diejenigen Vertragsärzte in Haftung, die selbst nur das Ausreichende und Notwendige verschreiben. Die vom BMG aufgezeichnete Einflussmöglichkeit, die diese Ärzte auf ihre KVen nehmen können und sollen, ist in der Praxis nicht gegeben bzw. in den Auswirkungen viel zu schwerfällig. Das heißt der "Unschuldige" zahlt mit, ohne wirklich etwas ändern zu können. Der Verantwortung für das eigene Verschreibungsverhalten wird gegengesteuert. Abgesehen davon, ist der Regress nach Meinung von Experten rechtlich sowieso nicht haltbar.
Außerdem fehlt noch immer eine zeitnahe Datenerhebung, die den Ärzten Auskunft über ihr Verschreibungsverhalten und die entstehenden Kosten geben muss. Dieser Umstand führt zur weiteren Verunsicherung der Ärzte, zu einem irrationalen Verordnungsverhalten und damit zur Gefährdung der Patienten.
Die im Antrag vorgeschlagene Lösung - Ablösung der Budgets durch getrennte Richtgrößen für Arznei- und Hilfsmittel - ändert diese Situation aus unserer Sicht auch nur mittelfristig, da grundlegende Probleme dabei unberührt bleiben.
Eine nachhaltige Verbesserung der Lage ist für uns durch folgende Maßnahmen erreichbar:
- Realisierung der Positivliste, bis dahin: Ausbau der Negativlisten und AM-Richtlinien und stärkere Kontrolle des Verordnungsverhaltens unter diesen Aspekten
- Ausdehnung der Festbetragsregelungen, Freistellung nur für echte Innovationen,
- Verstärkte - von der pharmazeutischen Industrie unabhängige! - Fortbildung der Ärzte über sinnvolle, wirtschaftliche, auch nicht-medikamentöse Behandlungsalternativen,
- Schnelle Erarbeitung der in der Gesundheitsreform vorgesehenen Leitlinien und Qualitätsstandards auf der Grundlage der evidance based medicine für die Behandlung bestimmter Krankheitsbilder (Erfahrungen der Praxisnetze nutzen),
- Einführung von Fallpauschalen: die Gesamtbehandlungkosten sind entscheidend bei der Aussage zur Wirtschaftlichkeit! Die künstliche Aufteilung in Einzelbereiche verfälscht das Ergebnis.
- daraus: Schaffung von indikationsbezogenen Modulen unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten,
- Durchsetzung der integrierten Versorgung und patientenorientierten Zusammenarbeit aller Leistungserbringer vor Ort
- Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze
Rationierung ist weltweit ein Thema, wird offen oder versteckt längst praktiziert. Die Diskussion darüber muss endlich begonnen und ehrlich geführt werden. Die Verantwortung der Politik darf nicht auf die Ärzte abgewälzt werden.
Katja Lorenz, für den Vorstand des VDPP
Anmerkung:
Am 27.9. fand im Bundestag die Anhörung zum Antrag der FDP statt, die Arznei- und Hilfsmittelbudgets abzuschaffen. Der VDPP wurde durch Katja Lorenz vertreten.
Das Thema wurde anscheinend für so wichtig gehalten, dass die Anhörung sogar um eine Stunde verlängert wurde. Ausführlich wurde die schlechte Datenlage, die Grundlagen zur Budgetfestsetzung und die
mögliche Ablösung durch Richtgrößen diskutiert. Wir wurden leider nichts gefragt, hatten jedoch zuvor unsere oben abgedruckte Stellungnahme abgegeben.
Im Dokumentationsteil findet sich noch der Beitrag von Prof. Dr. Dr. Karl Lautenbach. Er war der Experte für die Datenlage und wurde dazu bemerkenswerterweise quer durch die Fraktionen befragt.
Katja Lorenz
Abgedruckt im Rundbrief 52
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